«Ich bin einer dieser helfenden Grossväter»

Ich habe unlängst in einer Zeitung gelesen, dass Schweizerinnen und Schweizer Mitte Fünfzig zum ersten Mal Grosseltern werden, schreibt Roland Grüter.
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Enkel fordern die ganze Energie ihrer Grosseltern (Foto: Vidar Nordli-Mathisen on Unsplash)

59 Prozent davon sehen ihre Enkel mindestens einmal pro Woche. Gemäss Generationenbericht Schweiz lässt sich deren Betreuung durchaus in Franken und Rappen beziffern: zwei Milliarden Franken ist sie jährlich wert. Beeindruckend. Ich bin einer dieser helfenden Opas, auch wenn ich ganz und gar nicht dem Durchschnitt entspreche.

Das fängt schon mit meiner Biografie an. Ich bin schwul und dachte lange Jahre keine Sekunde an eigene Kinder, geschweige denn an Enkel. Ich war zwar leidenschaftlicher Götti: Aber eigener Nachwuchs? Nie und nimmer!

Meine Gene hatten mit mir andere Pläne, und diese waren auch ohne Familien-Bande aufregend genug. Die Welt stand mir weit offen, ich wollte mich und mein Leben selbst erfinden - taugliche Konzepte, die ich mir hätte zum Vorbild nehmen können, gab es in den wilden 1970er Jahren und damit in meiner Jugend nicht.

Schwule waren damals noch Exoten (und sind ja heute noch ein wenig, sonst müsste ich mich ja nicht erst erklären). Das machte mich zwar erst einsam, eröffnete mir aber 1001 Möglichkeiten, die sich Heterosexuelle verbieten.

Dann aber kamen mir vor 17 Jahren Thomas und später das Alter in die Quere. Thomas brachte viel Liebe und drei leibliche Kinder in mein Leben - und das Alter, ich bin 57, graue Haare. Die besten Voraussetzungen also, ein pflichtbewusster Opa zu werden - und meinen letzten Lebensabschnitt in einem wilden Patchwork-Verbund und darüber hinaus erstmals mitten in der Gesellschaft zu verbringen.

Denn wie andere Grossväter auch stosse ich nun willig Kinderwägen durch die Welt und lamentiere mit Wildfremden über die ersten Zähne der Kleinen. Was ich bin und was ich denke, spielt dabei keine Rolle.

Denn kaum halte ich ein Kind in den Armen, bin ich nicht länger ein Mann mit Vergangenheit und Veranlagungen, sondern Betreuer und Obhüter der Krabbler. Ein schützender Arm, ein waches Auge, ein Trost nach Stürzen - mehr nicht.

Das ist für mich erfrischend neu, und auch die Kinder selbst kümmern sich (noch) wenig um meine persönlichen Präferenzen. Ihnen ist das Hier und Jetzt weit wichtiger als Prägungen und Präferenzen. Sie schliessen mich und viele anderen Menschen völlig unverkrampft und unvoreingenommen in ihre Herzen, haben sie zu ihnen erst mal Vertrauen gefasst.

Und staunen, wenn es andere damit anders halten. Ich erinnere mich beispielsweise an den Auftritt von Emma. Sie war damals Dreijährig und erklärte ihren Betreuerinnen in der Kinderkrippe: "Meine beiden Opas könnten heiraten - aber sie wollen nicht. Dabei wäre ich so gerne ihr Blumenmädchen."

In den kommenden Wochen werde ich an dieser Stelle regelmässig über meine Erlebnisse als Opa berichten, über die damit verbundenen Freuden und Prüfungen. Und natürlich werden ich Sie mit meiner Liebe zu den vier Enkeln fluten, zu Nora, Emma, Béla und Yara. Die Älteste ist im Januar Fünf geworden, die Kleinste ist 15 Monate alt. Sie sind die süssesten Enkel dieser Welt, nein des ganzen Universums! Ihre natürlich ausgenommen.

"Alter schützt vor Liebe nicht - aber Liebe vor dem Alter", sagte einst Coco Chanel. Roland Grüter (57), zählt die Liebe zu seinen vier Enkeln mit dazu. Er ist freischaffender Journalist, Mitinhaber des Start-ups Chefredaktion GmbH mit Sitz in Zürich und lebt mit seinem Partner in einer wilden Patchworkfamile. Seine Opa-Kolumne erscheint zwei Mal monatlich.


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