Wohngemeinschaft statt Altersheim

Für viele ältere Menschen sind Senioren-WGs sie eine willkommene Alternative zum Heim, schreibt Horst-Peter Wickel auf «welt.de».
Wohngemeinschaft statt Altersheim
Alters-WG ist eine interessante Alternative für Golden Agers.

Annemarie und Josef, beide 63 Jahre alt, stehen voll im Berufsleben. Noch arbeitet er als Ingenieur, sie ist Lehrerin. Dennoch machen sie sich seit Längerem Gedanken über die Zeit nach dem Arbeitsleben. Ihr Haus im oberbayerischen Haag, das sie geerbt haben, war ihnen schon immer zu gross.

Und so haben sie sich entschlossen, einzelne Zimmer zu vermieten, für wenig Geld an Studenten und Lehrlinge. Aber eigentlich suchen sie einen gleichaltrigen Mitbewohner. "Er oder sie könnte ein oder zwei Zimmer nutzen und alle Möbel mitbringen", sagt das Paar.

Auch Anne K. aus Hassfurt möchte ihre Doppelhaushälfte auf Dauer nicht allein bewohnen: "Ich suche Menschen, die sich mit mir dieses wunderschöne Haus teilen möchten." Bei der 58-Jährigen können neue Mitbewohner das komplette Dachgeschoss mit zwei grossen Zimmern und Bad beziehen.

"Ich wünsche mir Mitbewohner, die sich mit mir die Arbeit am Haus und im Garten teilen, zusammen kochen und ab und an auch Freizeitaktivitäten planen." Im Alter allein wohnen - das können sich immer weniger Menschen vorstellen. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) weiss: "Wohnen im Alter ist mehr als ein Dach über dem Kopf."

Nach einer Umfrage ihres Ministeriums gibt es in Bayern bereits über 60 Wohnberatungsangebote, rund 800 bürgerschaftlich engagierte Nachbarschaftshilfen, 66 Quartierkonzepte, rund 60 Seniorenhausgemeinschaften sowie 44 generationenübergreifende Wohnprojekte. Tendenz steigend.

Fast jeder zweite Deutsche, ergab eine Umfrage des Immobilienportals ImmobilienScout24, kann sich vorstellen, in einer Wohngemeinschaft zu leben. Die Vorteile einer Senioren-WG liegen auf der Hand: Die Mitbewohner können sich umeinander kümmern, die Lasten des Alltags gemeinsam meistern und dabei gleichzeitig nach ihrem eigenen Tagesrhythmus leben.

Die anfallenden Haushaltskosten werden geteilt, die Bewohner können auch eine Haushaltshilfe oder einen Gärtner gemeinsam organisieren und die Kosten teilen. Ausserdem, ergänzt Gabriele Thomassen, Pflegeexpertin der Deutschen Krankenversicherung (DKV): "Ein harmonisches Zusammenleben in der WG beugt der Einsamkeit im Alter vor."

Nach Ansicht des Sozialverbands VdK können Senioren-WGs eine "gutes Modell für das selbstbestimmte Älterwerden" sein. Was nicht heisst, dass nicht auch in Senioren-WGs der Haussegen manchmal schief hängt. Dennoch: Vor allem Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) setzt auf Wohngemeinschaften als neue Lebensform für die stetig wachsende Zahl von Alten.

Prognosen zufolge wird der Anteil der über 65-Jährigen von heute 21 Prozent bis 2030 auf rund 30 Prozent steigen. Zwar begrüsst der Sozialverband VdK dieses Modell, aber ganz zufrieden sind die VdK-ler mit dem Modell noch nicht. Verbandsprecher Sebastian Heise ist davon überzeugt, dass Wohngemeinschaften die aktuellen Probleme der Altenpflege "vermutlich nicht lösen" können.

Und die wachsende Altersarmut könne dadurch zwar verzögert, aber nicht vermieden werden. Denn die stark steigenden Mieten in Grossstädten wie München oder Nürnberg setzen die Senioren, die ihre eigenen vier Wände in bekanntem Umfeld erhalten wollen, auch finanziell immer stärker unter Druck. Nach Humls Einschätzung werden deshalb "alternative Wohnformen wie ambulant betreute Wohngemeinschaften in Bayern immer beliebter".

Aktuell leben nach ihren Angaben bereits rund 1750 Menschen in 268 betreuten Wohngemeinschaften. Huml sagt: "Von 2014 bis 2015 gab es bei den WGs einen Zuwachs von 13 Prozent. Das bestätigt den zunehmenden Wunsch der Menschen nach alternativen Wohnkonzepten."


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