Glück im Alter
So werden Sie alt und glücklich
Von Ibrahim Demiroglu
Hat man das Glück im hohen Alter erst einmal gefunden, dann kann man es auch richtig geniessen. Das Glück der älteren Bevölkerung ist nicht immer sichtbar und trotzdem vorhanden. Doch was macht das hohe Alter zu einer glücklicheren Lebensphase?
Sich glückliche, pensionierte Grosseltern vorzustellen, fällt einem sehr leicht. Sich glückliche, aber nicht gestresste Eltern vorzustellen, ist dagegen eher schwierig. Ein Pluspunkt des hohen Alters ist die verfügbare Zeit. Man muss nicht mehr wie vor der Pensionierung jeden Tag minutiös planen. Ist man sich bewusst, dass man fast unendlich lange Freizeit besitzt, geht man deutlich entspannter durch das Leben.
Selbstverständlich spielen auch andere Faktoren wie die Gesundheit, die finanzielle Situation oder das soziale Umfeld eine bedeutende Rolle. Sind diese Faktoren allesamt stabil, tragen sie noch stärker zum glücklich sein bei.
Viele Menschen über 65 geben an, zufriedener und glücklicher zu sein, als sie es zwischen 40 und 50 waren. Man muss sich wie zu Jugendzeiten die Freiheit nicht mehr erkämpfen. Die Midlife-Crisis, wenn man eine hatte, ist überwunden. Die meisten Tiefs des Lebens scheinen überwunden.
Das lange Leben formt die Persönlichkeit, den Charakter und bereichert die Erfahrung. Diese lehrt uns, wie man mit Herausforderungen und Problemen umgehen kann. Dinge, die einen früher komplett aus der Bahn warfen, scheinen nicht mehr so tragisch zu sein. Man weiss aus eigener Erfahrung, wie man damit umzugehen hat. Man weiss auch, dass die Dinge besser werden, wenn man ihnen Zeit lässt.
Darüber hinaus ist man in seinem Alltag nicht mehr an viele Pflichten gebunden. Man muss nicht mehr, man darf. Man muss nicht mehr zu Stosszeiten im öffentlichen Verkehr unterwegs sein. Den Einkauf kann man nun auch am frühen Nachmittag erledigen statt am Feierabend oder am Wochenende. Den Wecker ignorieren oder erst gar keinen Wecker stellen, sondern aufstehen, wann man möchte, ist nun auch möglich.
Bereits beim Gedanken daran, stellt sich eine gewisse Gelassenheit ein. Und genau diese Gelassenheit ist einer der Gründe, weshalb Menschen über 65 angeben, glücklicher zu sein als in jüngeren Jahren.
Zudem erlangt man mit der Pensionierung eine weitere Freiheit. Man kann sich nun Interessen und Hobbys widmen, für die man früher keine Zeit hatte.
Die lang ersehnte Reise ans andere Ende der Welt ist jetzt möglich. Das stark vernachlässigte Hobby kann man nun wieder ausüben. Stundenlang im Park sitzen und Schach spielen. Sich auf eine geliebte Tätigkeit einlassen, die Zeit vergessen und sich völlig hingeben. Diesen Zustand vom Flow, den man sonst eher im beruflichen Kontext kennt, kann man auch in der Freizeit erleben. Wenn man dieses Glücksgefühl auch im hohen Alter immer wieder aufs Neue erlebt, ist man zuversichtlich, dass es doch noch nicht vorbei ist mit der Freude.
Auch die Wertvorstellungen verändern sich. Die Wahrnehmung wird eine andere. Der Fokus verschiebt sich. Die sogenannte Weisheit im Alter hat auch damit zu tun, dass man nicht mehr grossen Wert auf materielle Sachen legt, sondern sich mit den kleinen Freuden im Alltag zufriedengibt.
Das bestätigen unter anderem auch Wissenschaftler der Universität Michigan. Ihre Untersuchungen widerlegen die weit verbreitete Überzeugung, dass die Jugend die schönste Zeit im Leben sei.
Hather Lacey, Psychologin und Studienautorin, meinte dazu: „Die meisten Probanden waren überzeugt, dass mit steigendem Alter das Glücksempfinden schwindet. Tatsächlich hat unsere Studie aber das Gegenteil gezeigt: Die älteren Teilnehmer fühlten sich im Schnitt zufriedener, als die jungen“.
Auch seitens der Psychiatrie wird bestätigt, dass mit zunehmendem Alter das Glücksempfinden steigt. Dilip Jeste, Psychiater an der Universität von Kalifornien in San Diego befragte zufällig ausgewählte Bewohner nach ihrem körperlichen und geistigen Wohlergehen. „Die Teilnehmer berichteten, dass sie mit sich und ihrem Leben Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt, besser zurechtkamen“, sagte Jeste. Zwar sei ein gewisser Abbau intellektueller Fähigkeiten unausweichlich, aber der sei bei vielen nicht von echter Bedeutung.
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