GENERATION-CLASH
«Wird sich die «Sharing Economy» halten?»
Die Nachwuchsjournalistin und der bekannte Autor stellen sich deshalb im «Blick am Abend» gegenseitig Fragen, um den Generation-Clash etwas abzufedern - oder sich gar gegenseitig zu verstehen.
"Elder Statesman" Jürg Ramspeck fragt:
Liebe Joëlle,
früher lag es ausserhalb jeder Vorstellung, dass man sein Auto, ja sogar seine Wohnung oder seinen Job mit jemandem teilt, zu dem man nicht in verwandter oder engster freundschaftlicher Beziehung steht. Jetzt aber scheint "Sharing Economy" aufzublühen - die Idee also, dass man nicht alles, was man braucht, auch exklusiv haben respektive besitzen muss. Kannst du dich mit diesem Gedanken anfreunden? Oder hältst du das für eine Welle, die wieder verebbt, wenn die wirtschaftliche Gesamtlage sich bessert?
"Young Küken" Joëlle Weil antwortet:
Lieber Herr Ramspeck,
gerne würde ich meine Generation als "ach, so grosszügig" bezeichnen. Gerne würde ich behaupten, dass wir in WGs leben, weils einfach lässiger ist. Dass wir Fremde in unseren Autos kutschieren, weil es nett ist. Doch dem ist nicht so. Wir teilen aus zwei Gründen. Erstens: Es ist günstiger. Die hohen Mietpreise haben wir vor zwei Wochen bereits angesprochen. Hohe Benzinkosten sind ein weiteres Übel. Als "Generation Praktikum" gehört es jedoch zu unserer Realität, dass wir nach dem Einstieg in die Berufswelt noch lange nicht so weit sind, dass wir uns ein Leben in Saus und Braus leisten können. Trotzdem möchten wir aber nicht auf materielles Gut verzichten und gehen dabei einen Kompromiss ein: Wir teilen. Der zweite Motivationsgrund ist ein ganz anderer: Wir geniessen das Leben im Überfluss und streben immer nach noch mehr. Vergleichen wir Ihre materiellen Besitztümer, die Sie in meinem Alter hatten, mit denen, die ich heute besitze, wäre der Vergangenheits-Herr Ramspeck wohl ziemlich neidisch. Dank der Massenproduktion haben wir Zugang zu allem und uns an diesen Standard gewöhnt. Verzichten können wir schlecht - und wollen es auch gar nicht. Lieber teilen wir uns einen Gegenstand, als auf dessen Besitz zu verzichten. Wir versuchen einen Spagat: zwischen der Welt, in der materielle Güter eine derart wichtige Rolle spielen, dass wir alles sofort haben müssen. Und der Welt, in der der materielle und emotionale Wert eines Gegenstands aus demselben Grund wertlos geworden ist.
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