EU-Bürger stehen in Konkurrenz zu Schweizer Ü50

Schweizer Arbeitskräfte müssen mit den Besten aus dem EU-Raum konkurrieren. Über 50 wird das schwierig, kommentiert Janine Hosp auf “tagesanzeiger.ch”.
EU-Bürger stehen in Konkurrenz zu Schweizer Ü50
Wenn die Unternehmen wählen können, nehmen sie lieber jüngere, billigere Arbeitskräfte.

Erwerbstätige würden gerne bis zu ihrer Pensionierung arbeiten, jeder zweite, so sagte eine Studie einer Personalvermittlerin, gar darüber hinaus. Ihre Arbeitgeber aber wollen sie oft nicht mehr, wenn sie die fünfzig überschritten haben.

Dann werden sie bei Sparrunden bevorzugt auf die Strasse gestellt. Und meist nur dann eingestellt, wenn keine jüngere Alternative verfügbar ist. Unternehmen werden das nicht bestätigen, die Zahlen hingegen schon: In der Stadt Bern ist vergangenes Jahr die Gruppe älterer Sozialhilfebezüger, jene der 56- bis 64-Jährigen, am stärksten gewachsen, und zwar um knapp 5 Prozent.

In der Stadt Zürich zeigt sich dieser Trend noch früher. Dort stieg die Zahl der 46- bis 55-jährigen Bezüger mit knapp 5 Prozent am stärksten. Die Arbeitslosenstatistik ist in dieser Hinsicht wenig aussagekräftig; sie hält eine Person bereits für erwerbstätig, wenn sie schon eine Stunde pro Woche gegen Entlöhnung arbeitet.

Für künftige Rentenreformen ist diese Entwicklung fatal, denn die Erwerbstätigen sollen nicht weniger lang, sondern länger arbeiten. SP-Bundesrat Alain Berset will zwar nur das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 Jahre erhöhen.

Freisinnige und Wirtschaftsvertreter hingegen forderten schon 67 oder gar 70 Jahre für alle. Nur: So lange wollen die Unternehmen, die sie vertreten, ihre Angestellten oft gar nicht beschäftigen. Weshalb sollten sie?

Schweizer Firmen können sich dank der hohen Löhne und der guten Lebensqualität die Besten der Besten aus dem Arbeitskräftereservoir des EU-Raums sichern und sich den massgeschneiderten Angestellten holen: jung, aber dennoch erfahren, hoch spezialisiert, aber dennoch passend, engagiert, aber noch nicht ausgebrannt.

Bessere Bedingungen können sich Unternehmen nicht wünschen. Sie, die wegen des starken Frankens und der zurückhaltend investierenden EU-Länder oft unter Kostendruck stehen, müssen kaum Geld in neue Angestellte stecken.

Die Schweizer Arbeitnehmer hingegen, vor allem die Älteren mit hohen Löhnen und hohen Lohnnebenkosten, trifft es mit voller Härte: Sie stehen in Konkurrenz mit den Besten der Besten aus dem ganzen EU-Raum. Mit der Folge, dass in Grossraumbüros kaum mehr ergrautes Haar zu sehen ist.

Dabei werden den älteren Arbeitnehmern seit Jahren bessere Zeiten vorausgesagt. Da sich die Babyboomer seit 2009 gestaffelt aus dem Erwerbsleben zurückziehen und weniger starke Jahrgänge nachrücken, werden die Verbliebenen immer wichtiger und entsprechend umworben. Das zumindest war die Prognose.

Vielleicht bewahrheitet sie sich doch noch, denn jetzt hat der wirtschaftsnahe Thinktank Avenir Suisse den älteren Arbeitnehmer, die ältere Arbeitnehmerin entdeckt. Diese Mitarbeiter, so schreibt er, seien gut qualifiziert, würden die betrieblichen Prozesse kennen und "werden in den folgenden Monaten sicher nicht kündigen".

Neu ist das nicht. Aber erst jetzt besinnen sich Avenir Suisse und vielleicht auch die Firmen auf die älteren Arbeitskräfte. Jetzt, nachdem das Volk Ja gesagt hat zur Einwanderungsinitiative - und sich Unternehmen wohl nicht mehr so einfach die Besten aus der EU holen können.

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