Hat Glück wirklich ein Ablaufdatum?

Mario Trüb, Studierender der HWZ in Zürich beschreibt in diesem Artikel, was das Glück der Babyboomer ausmacht.
Glücklichsein, Alter, Zufriedenheit, Resilienz
Jeder ist seines eigenen Glückes Schmid (Bild Ellen Carlson on Unsplash)

Von Mario Trüb

Schmerzende Gelenke, körperlicher Zerfall und zunehmende Immobilität sind nur einige Dinge, die auf abnehmende Lebensqualität im Alter hindeuten. Ist Lebensqualität aber gleichbedeutend mit Glück?

«Es ist viel zu spät», sagt der ältere Herr in leicht anklagendem Tonfall. Er schüttelt den grauhaarigen Kopf und schlurft mit hängenden Schultern den Gang entlang. Zurück lässt er zwei junge Männer und ein kleines Mädchen, seine beiden Enkel und eine Grossenkelin. Die drei wechseln verunsicherte Blicke.

Sie wollten ihren Gross- bzw. Urgrossvater im Altersheim besuchen, kamen aber eine halbe Stunde später als vereinbart. Eine halbe Stunde, was macht das schon aus? Dem Mann mit dem aschfahlen Gesicht und dem leeren Blick genügt diese Verspätung, um seine Besucher ohne ein weiteres Wort stehen zu lassen. Dabei wirkt er verbittert. Zufriedenheit im Alter: Ist es dafür etwa zu spät?

Das dem nicht so ist, bestätigen mehrere wissenschaftliche Studien. Kürzlich wurden in den USA über 1000 Senioren zu ihrem Alltag befragt. Nur die wenigsten hatten an ihrem Leben etwas auszusetzen. Studienautor Dilip Jeste meint dazu: «Selbst die, die mitten in den Abbauprozessen des Alters steckten, berichteten, dass sich ihre Lebensqualität verbessert hat.» Doch woran liegt das?

Der Mensch verfügt über eine erstaunliche Anpassungsgabe

Ausgeprägte soziale Kontakte und eine gute medizinische Grundversorgung sind sicher zwei wichtige Faktoren für das Glücklich sein im finalen Lebensabschnitt. Laut Clemens Tesch-Römer, Leiter des Deutschen Zentrums für Altersfragen in Berlin, ist der Hauptgrund für ein glückliches Pensionsalter aber ein anderer.

«Menschen im Allgemeinen und insbesondere ältere Personen verfügen oft über eine enorme Anpassungsfähigkeit», weiss Tesch-Römer. Vielen gelingt es, unrealistisch gewordenen Zielen zu entsagen. Stattdessen richten sie den Fokus mehr auf ihre Fähigkeiten. Dabei akzeptieren sie, dass das Alter gesundheitliche Probleme mit sich bringt.

Menschen im Pensionsalter selektieren ihre Kontakte zudem viel konsequenter als jüngere Personen. Sie umgeben sich vermehrt mit Menschen, die ihnen guttun. Zwischenmenschliche Konflikte werden so auf ein Minimum reduziert. Ausserdem sind Leistungsdruck und Konkurrenzgebaren im höheren Alter sehr viel weniger verbreitet als noch in jüngeren Jahren.

Zu einem ähnlichen Ergebnis wie der deutsche Altersforscher kam auch eine britische Studie mit 300'000 Teilnehmenden. Gemäss den Wissenschaftlern aus dem Vereinigten Königreich sind die Jahre zwischen 65 und 79 unsere glücklichsten. Auch danach findet nur ein geringer Abfall an Zufriedenheit statt. Es scheint also, dass den meisten von uns die glücklichsten Jahre noch bevorstehen.

Jeder ist seines eigenen Glückes Schmid

Diese Nachrichten dürften auch viele Menschen in der Schweiz positiv stimmen. Gemäss Bundesamt für Statistik sind 19% der in der Schweiz wohnhaften Menschen über 65 Jahre alt. Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 8,6 Millionen befinden sich also rund 1,6 Millionen Menschen im «Glücksalter». Was aber bedeutet das für die übrigen sieben Millionen? Warten auf das runzelige Ruhestandsparadies?

Wem dies zu lange dauert, kann versuchen, das Glück bereits früher beim Schopf zu packen. Besagt nicht ein altes Sprichwort, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied sei? Das Schmieden ist ein aktiver Prozess. Vielleicht besteht aber genau darin der entscheidende Irrtum.

Vielleicht findet man das Glück eher, wenn man nicht danach sucht. Oft genügt schon ein anderer Blickwinkel. Das Streben nach dem grossen Geld, der steilen Karriere, der Weltreise oder der wahren Liebe mag zwar verlockend erscheinen, ist aber häufig frustrierend.

Vielleicht haben ältere Menschen ihr Scheitern mit einer gewissen Gelassenheit akzeptiert oder sie haben einige ihrer Ziele erreicht. So oder so scheinen viele von ihnen aber intuitiv zu begreifen, dass die innere Einstellung zum Leben entscheidender ist als Äusserlichkeiten. Bei der Suche nach ihrem Glück, können jüngere Personen also durchaus von der Weisheit der Älteren profitieren.

Auch für Menschen unter 65 Jahren kann es sich als wohltuend erweisen, sich an kleinen, alltäglichen Dingen zu erfreuen. Wichtige soziale Kontakte zu pflegen und unnötigen Konflikten aus dem Weg zu gehen, können ebenso hilfreich sein wie realistische, erreichbare Ziele festzulegen. Unabhängig davon, ob diese nun kurz- mittel- langfristig ausgelegt sind. Egal in welchem Lebensabschnitt wir uns gerade befinden: Es ist nie zu spät, sein Glück zu finden.


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